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Andrea Hammermann / Holger Schäfer IW-Kurzbericht Nr. 24 2. Mai 2024 Arbeitszeitwünsche von jungen Beschäftigten

Der jungen Generation wird häufig eine hohe Freizeitorientierung unterstellt. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass die Wunscharbeitszeit junger Beschäftigter im Zeitablauf abnimmt. Dies stellt aber keine Besonderheit der jungen Generation dar, sondern trifft auch auf Ältere zu.

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Arbeitszeitwünsche von jungen Beschäftigten
Andrea Hammermann / Holger Schäfer IW-Kurzbericht Nr. 24 2. Mai 2024

Arbeitszeitwünsche von jungen Beschäftigten

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der jungen Generation wird häufig eine hohe Freizeitorientierung unterstellt. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass die Wunscharbeitszeit junger Beschäftigter im Zeitablauf abnimmt. Dies stellt aber keine Besonderheit der jungen Generation dar, sondern trifft auch auf Ältere zu.

Die Generation Z (geboren in den 2000er Jahren) tritt nach und nach in den Arbeitsmarkt ein und trifft mit ihrer im Vergleich zu älteren Generationen geringen Personenanzahl auf eine hohe Arbeitsnachfrage. Als typischer Ausdruck eines Generationenkonflikts wird der jüngsten Generation auf dem Arbeitsmarkt mitunter unterstellt, der Arbeit in ihrem Leben nur eine geringe Bedeutung beizumessen. Dabei werden Alterseffekte durch sich ändernde Einstellungen im Lebensverlauf und ein genereller Wertewandel häufig unzulässigerweise als Generationseffekte interpretiert (Schröder, 2023). Ließe sich allerdings tatsächlich eine sinkende Arbeitsbereitschaft jüngerer Beschäftigter feststellen, würde das Problem der Arbeitsangebotsverknappung, welches sich in den nächsten Jahren aufgrund des vorhersehbaren Austritts geburtenstarker Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt ergibt, weiter verschärfen. Doch sind Berufsanfänger heute wirklich weniger bereit, Zeit für ihr Erwerbsleben aufzuwenden als früher?  

Obwohl das Arbeitsangebot der Genration Z häufig Gegenstand der Diskussion ist, liegen über die Entwicklung der Arbeitszeitwünsche von jungen Beschäftigten in Deutschland bislang nur wenige belastbare Befunde vor. Blömer et al. (2021) betrachten die Entwicklung der Wunscharbeitszeit im Zeitverlauf auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und des Panels Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS), differenzieren dabei aber nicht nach dem Alter. Dabei zeigt sich, dass die gewünschte Arbeitszeit bei Männern seit etwa 2007 um rund zwei Wochenstunden rückläufig ist, während für Frauen keine eindeutige Tendenz festzustellen ist. Beckmannshagen/Schröder (2022) vergleichen auf Basis des SOEP die Wunscharbeitszeit in den Jahren 1993 und 2018 und stellen dabei ebenfalls einen Rückgang um knapp zwei Wochenstunden fest. Auch diese Studie unterscheidet keine Altersgruppen.

Die bislang differenzierteste Betrachtung von Wunscharbeitszeiten legen Wanger/Weber (2023) wiederum auf Basis des SOEP vor. Unter anderem erlaubt sie einen Blick auf die Altersgruppe der Jugendlichen bis 25 Jahre. Dabei wurden Studierende und geringfügig Beschäftigte aus der Analyse ausgeschlossen. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern sank die solchermaßen berechnete Wunscharbeitszeit seit 2007 um rund drei Wochenstunden.

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Eine eigene Auswertung nach Altersgruppen – ebenfalls auf Basis des SOEP (Goebel et al., 2019) – zeigt im Zeitraum 2007-2021 einen Rückgang der gewünschten Arbeitszeit um gut 3 Wochenstunden nicht nur in der jüngsten Altersgruppe (Grafik). Auch in den Altersgruppen der 26 bis 40-Jährigen (um rund 2 Wochenstunden) und der über 40-Jährigen (um knapp 3 Wochenstunden) sank die durchschnittlich präferierte Arbeitszeit. Betrachtet wurden dabei abhängig Beschäftigte ohne Schüler, Studierende und Auszubildende. Im Unterschied zu Wanger/Weber (2023) wurden aber geringfügig Beschäftigte mitberücksichtigt, da die Ausübung eines Minijobs auch Ausdruck der gewünschten Arbeitszeit sein kann. Die Wunscharbeitszeit wird im SOEP mit dem Hinweis erfragt, dass sich mit der Abweichung von der tatsächlichen Arbeitszeit der Lohn entsprechend ändern würde.

Frauen möchten durchschnittlich im Jahr 2021 rund 29,5 Stunden pro Woche arbeiten, Männer 35,4 Wochenstunden und damit rund 6 Stunden mehr.  Die gewünschte Arbeitszeit zwischen Frauen und Männern hat sich im Zeitablauf allerdings insofern angenähert, als dass Männer zu Beginn der 2000er Jahre noch eine um rund 9 Stunden höhere Wunscharbeitszeit pro Woche aufwiesen. Für Männer zeigt sich ein Rückgang der Arbeitszeitwünsche in allen Altersgruppen. Für Frauen im Alter bis zu 25 Jahren zeigt sich ein ähnliches Bild, die Arbeitszeitwünsche von älteren Frauen hingegen sind vergleichsweise stabil über die Zeit.

Eine vertiefende Betrachtung der Gruppe der jüngeren Beschäftigten zeigt, dass ein Rückgang der Wunscharbeitszeit in besonderem Maße bei Beschäftigten mit geringen Stundenlöhnen festgestellt werden kann. Betrachtet man den Zeitraum 2007 bis 2021, ging die Wunscharbeitszeit der jungen Beschäftigten im unteren Viertel der Stundenlöhne um 6,3 Wochenstunden zurück, während es im oberen Viertel nur 3,0 Stunden waren. Korrespondierend dazu ist im gleichen Zeitraum ein stärkerer Rückgang bei jungen Beschäftigten festzustellen, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit keine abgeschlossene Berufsausbildung benötigen. Wird ein Hochschulabschluss benötigt, fällt der Rückgang geringer aus. Die Vermutung, Jugendliche würden ihr Arbeitsangebot gegenüber vorhergehenden Generationen deshalb vermindern, weil sie auch mit geringerer Arbeitszeit über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, lässt sich somit empirisch nicht stützen.

Neben den Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten können im SOEP auch die Erwerbswünsche nicht erwerbstätiger Jugendlicher – zum Beispiel Schüler oder Studierende – ausgewertet werden. Nichterwerbstätige mit der Absicht, in Zukunft eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, können angeben, ob sie an einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung interessiert wären. Im Zeitverlauf zeigt sich für Jüngere unter 30 Jahren im Zeitraum 2017 bis 2021 eine Erosion des Vollzeitwunsches von 62 auf 48 Prozent. Dies korrespondiert allerdings nur zum Teil mit einer Ausweitung des Teilzeitwunsches (von 17 auf 24 Prozent), sondern auch mit einem steigenden Anteil Jüngerer, die der Frage indifferent gegenüberstehen (21 auf 28 Prozent). Deutlich ausgeprägter ist die Ausweitung des Teilzeitwunsches von Nichterwerbstätigen hingegen in der Altersgruppe über 50 Jahre. Im Zeitraum 2010 bis 2021 stieg der Anteil von 23 auf 51 Prozent.

Die Entwicklung der Arbeitszeitwünsche junger Menschen deutet an, dass die Präferenz für Freizeit zugenommen hat. Insofern könnte man die These der freizeitorientierten Generation Z bestätigt sehen. Es zeigt sich aber, dass die Freizeitpräferenz höherer Altersgruppen nicht weniger stark stieg, darin also keine Besonderheit der jungen Generation zu sehen ist. Die These, dass Jüngere ihr Arbeitsangebot verringern, weil sie saturiert sind und geringere Konsumwünsche haben, lässt sich mit den vorliegenden Daten nicht bestätigen. Hinsichtlich der Gründe der beobachteten Entwicklung besteht somit weiterer Forschungsbedarf.

Sehr klar sind dagegen die Folgen eines zunehmenden Interesses an kürzeren Arbeitszeiten. Sie fallen in eine Zeit, in der der demografische Wandel das Arbeitskräfteangebot stark verknappt. Es ist fraglich, ob es gelingt, den Abgang geburtenstarker Jahrgänge vom Arbeitsmarkt durch intensivierte Zuwanderung und eine Erhöhung der Erwerbsneigung zu kompensieren (Schäfer, 2023). Somit bliebe eine Ausweitung der Arbeitszeit eine wichtige Stellschraube. Gehen die Präferenzen der Arbeitnehmer in die entgegengesetzte Richtung, ist es umso dringlicher, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, die eine Ausweitung der Arbeitszeit attraktiv erscheinen lassen.

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