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Jan Büchel / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 26 7. Mai 2024 Daten als Geschäftsmodell: Utopie oder gelebte Praxis?

Daten sind die Triebkraft der Digitalisierung und eröffnen zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen etwa im Hinblick auf Innovationen. Beim Data Sharing können Unternehmen im Austausch für Daten Geld oder Dienstleistungen von den Datenempfängern erhalten. Welche Rolle der Datenverkauf in der Praxis in deutschen Unternehmen tatsächlich einnimmt, zeigen zwei Befragungen aus den Jahren 2022 und 2023.

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Utopie oder gelebte Praxis?
Jan Büchel / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 26 7. Mai 2024

Daten als Geschäftsmodell: Utopie oder gelebte Praxis?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Daten sind die Triebkraft der Digitalisierung und eröffnen zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen etwa im Hinblick auf Innovationen. Beim Data Sharing können Unternehmen im Austausch für Daten Geld oder Dienstleistungen von den Datenempfängern erhalten. Welche Rolle der Datenverkauf in der Praxis in deutschen Unternehmen tatsächlich einnimmt, zeigen zwei Befragungen aus den Jahren 2022 und 2023.

Werden Daten von Unternehmen umfangreich gespeichert, strukturiert und vielfältig genutzt, können mit ihrer Hilfe Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle weiterentwickelt oder Prozesse optimiert werden. Dadurch profitiert jedes einzelne Unternehmen und damit die gesamte Volkswirtschaft. Daten eines Unternehmens können aber auch für andere Unternehmen von Interesse sein. Der durch EU-Regulierung verpflichtende digitale Produktpass setzt etwa voraus, dass produktrelevante Daten entlang der Lieferketten geteilt werden (Neligan et al., 2023). Geteilte Produktionsdaten können die Reaktionsfähigkeit auf späteren Stufen der Lieferkette stärken. Forschungsdaten können für andere Unternehmen wertvoll sein, wenn sie beispielsweise deren Produktentwicklung betreffen. In der Theorie sollten Unternehmen bereit sein, für externe, werthaltige Daten einen Preis zu zahlen. Wie viele Unternehmen in Deutschland bereits Geld für Daten ausgeben, wird nachfolgend untersucht.

Die Analyse basiert auf zwei repräsentativen Befragungen unter jeweils mehr als 1.000 Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistern im Rahmen des BMBF-Projekts „Incentives and Economics of Data Sharing – IEDS“ im Herbst 2022 und 2023. Unternehmen wurden unter anderem befragt, ob sie bei ihrer Datenabgabe und ihrem Datenempfang ein Entgelt erhalten beziehungsweise zahlen. Insgesamt geben 2022 und 2023 etwa 20 Prozent in Deutschland Daten an andere Unternehmen ab und 40 Prozent erhalten Daten (Büchel/Bakalis, 2024). Die Datenabgabe und der Datenempfang erfolgen dabei in jedem vierten Fall gegen Entgelt (Abbildung).

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Datenverkauf nimmt ab

Auffällig ist, dass der Anteil der datenverkaufenden Unternehmen zwischen 2022 und 2023 abnimmt. Dieser Trend zeigt sich bei allen Unternehmensgrößenklassen. Kleine Unternehmen geben im Jahr 2023 häufiger an, im Gegenzug der Datenabgabe Dienstleistungen zu erhalten. Dies könnte in manchen Fällen eine Bezahlung ersetzen. Außerdem werden häufiger altruistische Motive der Datenabgabe genannt, wo nach Ansicht der Datengeber der Nutzen der Daten auch anderen Unternehmen und der Gesellschaft zugutekommen sollte. Zudem geben mehr kleine Unternehmen im Jahr 2023 eine höhere Verhandlungsmacht des Datenempfängers als Motiv der Datenabgabe an.

Bei großen Unternehmen ist der Rückgang besonders stark. Dies kann in einer veränderten Branchenstruktur begründet sein, da diese in beiden Befragungsjahren leicht abweicht: 2022 sind es besonders viele Unternehmen aus den Bereichen Handel und Dienstleistungen, 2023 sind es mehr Industrieunternehmen. Dienstleister geben mit 23 Prozent häufiger Daten an andere Unternehmen ab als Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe (17 Prozent). Noch deutlicher wird der Unterschied in einer Studie für die Europäische Kommission (Glennon et al., 2024, 76 ff.). Darin werden Unternehmen als „Data Supplier“ eingestuft, die hauptsächlich datenbasierte Produkte, Dienstleistungen und Technologien anbieten. Es wird festgestellt, dass es in der EU 2023 rund 238.000 Unternehmen gab, die Daten anbieten. Das entspricht etwa zwei Prozent aller Unternehmen aus den betrachteten Branchen. Etwa die Hälfte der Data Supplier stammen dabei aus der IKT-Branche und 39 Prozent sind Dienstleister. Industrieunternehmen werden dagegen nur selten als Data Supplier eingestuft, vermutlich da die Datenabgabe bei ihnen nicht zur Hauptaktivität zählt.

Generell sind datenabgebende Großunternehmen im vorliegenden Datensatz eher selten vertreten. Deswegen sind die Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren und ein Branchenfokus fällt schwerer ins Gewicht. Jedoch sind für die beiden Gruppen aus datenverkaufenden Großunternehmen in den Jahren 2022 und 2023 interessante Unterschiede erkennbar, insbesondere wenn die Ergebnisse einer weiteren Frage zu Motiven der Datenabgabe herangezogen werden.

Datenverkauf in großen Unternehmen

Nur vier Prozent der Großunternehmen, die Daten abgeben, verkaufen ihre Daten im Jahr 2023. Im Vergleich zu kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gibt diese Gruppe häufiger an, im Gegenzug der Daten Dienstleistungen zu erhalten. Zudem wird häufiger genannt, Daten abzugeben, um Produkte und Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und Geschäftsbeziehungen zu erschließen oder zu stärken. Denkbar ist, dass Großunternehmen vor allem Sensordaten an Hersteller von Maschinen und Anlagen oder Dienstleister abgeben, etwa um eine prädiktive Wartung der Maschinen zu ermöglichen oder in Kooperation mit digitalen Plattformen Dienstleistungen anzubieten. Für das Teilen von Maschinendaten spricht, dass im Vergleich zu KMU mehr Daten automatisiert und in Echtzeit abgegeben werden. Bei der prädiktiven Wartung bündeln Hersteller Maschinendaten von verschiedenen Nutzern und analysieren diese. So können Ausfallwahrscheinlichkeiten präziser bestimmt und Wartungen optimiert werden. Dafür spricht auch, dass große Unternehmen im Vergleich zu KMU häufiger Daten nutzen, um betriebliche Prozesse zu dokumentieren, sichtbar zu machen und zu analysieren. Denkbar ist zudem, dass besonders viele große Industrieunternehmen Daten untereinander oder entlang der Lieferkette oder bei der Plattformnutzung kostenfrei abgeben, um so Geschäftsbeziehungen zu stärken. Dies scheint aus Unternehmenssicht wichtiger, als Geld für ihre Daten zu erhalten. Rechtliche Auflagen wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz können auch eine Erklärung darstellen. Zwar gilt das Gesetz seit 2023 für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden (ab 1.1.2024 ab 1.000 Mitarbeitende), dennoch betrifft es auch kleine Unternehmen, wenn sie beispielsweise Daten an ihre Kunden zur Erfüllung der Auflagen liefern müssen.

Bei großen Unternehmen mit Dienstleistungsfokus im Jahr 2022 sind die Anteile der Datenverkäufer deutlich höher als 2023 (16 Prozent im Vergleich zu 4 Prozent). Seltener werden Daten jedoch abgegeben, weil sie im Produktionsprozess benötigt werden. Im Vergleich zu großen Industrieunternehmen und KMU geben große Dienstleister häufiger an, Daten wegen rechtlicher Vorgaben abzugeben, was wiederum auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zurückzuführen sein kann. Weitere Antworten offenbaren, dass viele Daten zu Forschungszwecken abgegeben werden.

Wie Unternehmen Daten bewerten

Seit 2022 kaufen leicht mehr Unternehmen Daten: Fast ein Drittel der Datenempfänger zahlen im Jahr 2023 Geld für Daten. Zwischen den Unternehmensgrößen zeigen sich dabei keine wesentlichen Unterschiede, im Gegensatz zu den Datenverkäufern. Werden die konkreten Methoden betrachtet, anhand derer Käufer ihre Zahlungsbereitschaft für Daten bilden, zeigt sich im Zeitverlauf eine stärkere Orientierung an den entstehenden Kosten. Seit 2022 orientieren sich jedoch mit mehr als 70 Prozent weiterhin am meisten Datenkäufer am Nutzen bereits verwendeter Daten und am Marktpreis (Büchel/Rusche, 2023). Für weniger als die Hälfte der Datenkäufer spielt der Nutzen von Testdaten, die Kosten des Anbieters und der Nutzen aus der Datenkombination eine entscheidende Rolle.  

Eine stärkere Orientierung an den Kosten zeigt sich auch bei den Datenverkäufern: Unternehmen orientieren sich 2023 weniger am Nutzen der Daten für Käufer (42 Prozent), sondern eher an den Kosten (96 Prozent) und am Marktpreis vergleichbarerer Datensätze (79 Prozent). Insgesamt teilen 2023 nicht mehr Unternehmen Daten als 2022 (Bakalis/Büchel, 2024). Gemeinsam mit der Tendenz, dass sich Datenverkäufer seltener am individuellen Nutzen der Empfänger orientieren, ist dies ein Indiz dafür, dass bereits teilende Unternehmen, ihre Daten nun an mehrere Kunden verkaufen. Individuell auf Kunden und deren Nutzen einzugehen, könnte bei zusätzlichen Abnehmern unter Umständen zu zeit- und kostenintensiv werden.

Fazit

Das Teilen von Daten in Deutschland stagniert. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil Daten nicht verbraucht werden und durch das Teilen somit zusätzliche Potenziale gehoben werden können. Positiv zu werten ist hingegen, dass Unternehmen zunehmend bereit sind, für Daten zu bezahlen. Dadurch kann perspektivisch ein effizienter Datenmarktplatz entstehen, der das Data Sharing in Deutschland vorantreiben kann.

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